Montag, 13. Juli 2015

10 Juli 2015 Seguin Island – eine unvergessliche, angstvolle Nacht auf der Leuchtturm Insel



 

Es zieht uns langsam nach Portland in den Westen zurück, wo wir bald unseren Besuch erwarten. Wir hüpfen von Insel zu Insel, wo wir vor zwei Wochen nachts an den Leuchtturm Lichtern vorbeigefahren sind.

Seguin Island ist unser vorläufig letzter Insel Stopp – der höchste Leuchtturm mit der einzigen Fresnel Linse an der US Küste zieht viele Besucher mit Booten an. Auf der Insel wohnt nur während den Sommermonaten die Familie des Leuchtturm Wärters.Die Insel ist wie aus dem Bilderbuch – rund, grün bewachsen, von einer riesigen Vogelkolonie bewohnt und oben drauf der Leuchtturm mit Wärterhaus.

Wir fahren in die kleine Felsenbucht bei Ebbe ein und packen uns nach sorgfältiger Tiefenmessung eine Mooring Boje, um Safari Njema fest zu binden. Gegen Abend verschwinden auch die letzten Tagesausflügler – wir sind alleine in der Stille, kaum ein Lüftchen weht, bei bald wolkenlosem Sternenhimmel. Wunderschön!

Mooring Bojen werden unterschiedlich von Privatpersonen, der Coast Guard oder von Vereinen  gelegt, d. h. eine Betonblock mit Kette oder Leine und an deren Ende eine Boje dran, dient dazu, ein Schiff fest zu binden. Teilweise bezahlt man Miete für die Übernachtung, teilweise können sie frei genutzt werden, natürlich immer auf eigenes Risiko. Weil nicht alle Mooring Bojen gewartet und kontrolliert werden, testen wir nach dem Festmachen immer, ob die Mooring auch wirklich hält indem wir mit starker Rückwärtsfahrt  mal ziemlich an der Mooring zerren und sie testen. So machen wir das am Nachmittag auch auf Seguin Island.

Insbesondere in engen Buchten wie auf Seguin Island sind diese Bojen sehr hilfreich, weil so mehr Schiffe auf engem Raum „parkiert“ werden können als wenn die Schiffe vor Anker liegen, wo sie um einen grösseren Radius Freiraum haben müssen. Zudem ist das Ankern in dieser Bucht verboten, weil die Elektro Kabel des Leuchtturms auf dem Grund verlegt wurden und diese durch Anker beschädigt werden könnten.

Um 01.00 Uhr – Metallknirschen und ein Donner fährt durch Safari Njema. Innert Sekunden sind wir aus dem Tiefschlaf gerissen an Deck und schauen uns die Bescherung an! Wir liegen am anderen Ende der Bucht auf Grund!

Mit jeder kleinen Welle wird Safari Njema brutal weiter auf die Steine gedrückt. Das Knirschen des Kiels auf Fels geht durch Mark und Bein. Stockfinstere Nacht. Was ist nur geschehen?
Die Mooring Boje hängt noch an unseren Leinen, das andere Ende der Mooringleine lose daran. Sie muss irgendwie gerissen sein.
Fieberhaftes, konzentriertes Nachdenken und Rettungsplan ausdenken während dem es einem in der Angst ums Schiff fast das Herz zerreisst.
Mit Safari Njemas Motor versuchen wir uns zu befreien. Keine Bewegung - wir sitzen fest.
Wir machen das Dinghi klar, Sven steigt ein und versucht mit dem Dinghi unter Vollgas Safari Njema von den Steinen zu zerren. Keine Chance, sie ist irgendwie eingehackt. Inzwischen liegt auch das Ruder auf dem Fels und knirscht. Nur kein Ruderbruch, bitte nein!
Die Tide ist für uns, Niedrigwasser ist ca um 01.30 Uhr, dann beginnt das Wasser wieder zu steigen. Zum Glück nur leichter, aber leider auflandiger Wind. Der Flutstrom ist ebenso auflandig. Wenn wir also Safari Njema nicht stabilisieren können, wird sie durch Wind und Strom immer weiter auf die Felsen getrieben!
Die Motorenkraft des Dinghis ist zu schwach und wie lange würde der Treibstoff reichen?
Unser Anker ausbringen wäre eine Variante, doch der hat sich gerade in der letzte Nacht zuvor an einem Felsen verbogen. Würde er sich überhaupt eingraben? Und das Elektrokabel? Also nein.
Im Licht unserer Stirnlampen sehen wir die verbliebenen drei anderen Mooring Bojen. Würden sie uns halten? Reichen unsere Leinen bis zu den Bojen? Ich binde alle Leinen die wir haben zusammen und Sven macht mit Hilfe des Dinghis die Enden an den Bojen fest. Nun nur kein Fehler machen mit den Knoten, keine Finger einklemmen und keine Leine in die Motorenschraube des Dinghis bekommen!
So spannen wir also je eine Leine von Bug und Heck über die ganze Bucht zu den anderen Bojen. Dann kommt Sven zurück und unter vereinten, zu zweit ziemlich begrenzten Kräften versuchen wir Safari Njema zentimeterweise gegen Wellen, Wind und Strom aufs Wasser zu ziehen, während dessen die Flut - Gott sei Dank -  endlich einzusetzen beginnt.

Um 02.30 Uhr löst sich Safari Njema vom Grund und schwimmt. Es ist vorerst geschafft. Wir sind frei, vorläufig an den zwei anderen Bojen gesichert.

Doch das Steuerrad dreht lose, keine Rudereinwirkung. Das Ruder war zeitweise auf dem Fels blockiert gewesen, wurde zwischendurch brutal durch Wellen herumgerissen, dann trat eben der Freilauf des Steuerrades ein.
Zum  Glück kann bei Safari Njema kaum ein Ruderbruch passieren, denn das Ruder ist bei ihr durch einen Stahl Skegen geschützt und gestützt. Und zum Glück ist Safari Njema aus Stahl, somit kann der Kiel auch nicht weggerissen werden, jedenfalls nicht durch diese relativ „leichten“ Bewegungen. Doch wer weiss schon was unter uns im dunklen Wasser alles vorgegangen ist?
Es zeigt sich, dass „nur“ das Steuerseil durch den massiven Druck aus dem Quadranten gesprungen ist. Diese Situation hatten wir vor Newport schon einmal, als wir wohl mit einer Lobsterpot Boje kollidiert waren. Sven kann dies also relativ leicht reparieren und die Steuerung wieder herstellen.

Nun lösen wir unsere Rettungsleinen und verholen uns an die letzte verbliebene Boje, wo wir für den kurzen Rest der Nacht nochmal Schlaf zu finden hoffen. Wir haben bange Stunden ausgestanden, das Adrenalin sinkt langsam, die Angst hockt noch in den Gliedern, alle unsere Muskeln tun von der enormen Anstrengung beim Seilziehen weh, wir sind verkrampft, aber erleichtert, dass wir wohl mit einem blauen Auge und dank einem guten Schutzengel davon gekommen sind.

Am Morgen wirkt alles wie ein böser Traum. Stahlblauer Himmel, leichter Wind und die Sonne glänzt. Idylle pur. Es erwartet uns ein super Segeltag nach Portland. Und wie wir die Schwimmbewegungen von Safari Njema heute besonders geniessen! Sogar zwei Wale scheinen sich mit uns zu freuen und zeigen sich zur Feier des Tages an der Seite von Safari Njema.                                                                                                                                                     

Penobsot Bay, Maine

Penobscot Bay - weite Inselwelt
Beim Entscheid von der Karibik in den Norden in die USA zu segeln, war die Inselwelt von Maine einer der Hauptgründe dafür. Nun endlich sind wir hier und freuen uns total, in diese wilde, einsame, herbe und fast märchenhafte Inselwelt einzutauchen.

sailing East to Penobscot Bay - Sunset
In weiter Ferne der Leuchtturm von Portland
Von Portsmouth aus wollen wir nicht länger Zeit verstreichen lassen, denn der Sommer hier in Maine ist kurz. Wir segeln durch die Nacht hindurch und bei Sonnenaufgang steht unsere erste Insel vor uns: Monhegan Island. 
Monhegan Island vor Sonnenaufgang
Hier machen wir einen Frühstück Stopp im kleinen Hafen und strecken unsere übernächtigten, steifen Körper in der wärmenden Morgensonne bei einer ersten Inselwanderung.





Bald geht’s weiter zur nächsten Insel Burnt, wo wir erneut an Land gehen und die Insel auskundschaften.  Und so geht es fortan weiter: Wir segeln relativ kurze Strecken durch die engen Fahrwasser zwischen den Inseln durch und machen abends in idyllischen Ankerbuchten fest, oft ganz alleine nur für uns, dort wo sich Seehund und Adler gute Nacht wünschen.




Häufig sind die Inseln unbewohnt, auf anderen lebt eine kleine Dorfgemeinschaft die vom Lobstern lebt, wieder andere sind im Privatbesitz und werden nur als Sommerresidenz benutzt.



Weil sich die Vögel jeweils schnell an die Anwesenheit des weissen Schiffes mit der roten Flagge gewöhnen, verlieren sie bald ihre Scheu und lassen sich bei ihrem Tun nicht weiter stören. So treffen wir auf eine sechsköpfige Familie Weisskopf Adler, die sich von einem angespülten Kadaver eines Seehund Babys ernähren. Wir lauschen den Rufen der Peregrine Falcons und Fischadler, wie sie sich durch die Stille zurufen. Flauschige Möwen Kücken warten brav auf ihren Felsen, bis Mama und Papa Möve mit neuem Snack wieder heranfliegen.






Auf See sehen wir oft Delfine fischen und treffen Seehunde an. Sie strecken ihre Köpfe aus dem Wasser und sehen sich etwas verwundert das vorbeiziehende Schiff an, dann tauchen sie wieder ab. Insgesamt sehen wir vier Wale mit ihrer gewaltigen Grösse ruhig durch die Bucht ziehen. Es erstaunt uns, dass sie sich in diesem relativ seichten Wasser bis etwa 40 m aufhalten.




Diese Tage sind geprägt durch die Stille der Natur. Oft flüstern wir selbst nur noch mit einander und zögern morgens, die laute Maschine anzuwerfen, um die Bucht zu verlassen.


Als die Wetterprognose für einen Tag Sturm verspricht, flüchten wir uns in den sicheren Hafen des Städtchens Camden, wo der Schiffbau seit Pionierzeit betrieben wird und auch heute noch mit den alten schönen Schoonern Kreuzfahrten durch die Penobcot Bay durchgeführt werden.





Dann erreichen wir nach einer unheimlichen Fahrt durch den plötzlich aufgekommenen Nebel die etwas grössere Insel Mount Desert, wo sich der Acadia National Park befindet. Noch hat die Hochsaison kaum begonnen. Wir sind das einzige Besucherschiff im Hafen von Northeast Harbor und die einzigen Gäste des Taxiböötlis, welches im Mooring Uebernachtungspreis inbegriffen ist. Im Nationalpark fahren Busse nach Fahrplan herum, mit denen man bequem zu den Startpunkten der verschiedenen Wanderwegen gelangt und dann am Endziel wieder aufspringen und nach Hause zur Safari Njema reiten kann. Durch den Nationalpark führen auch Kutschenwege, die wir mit den Velos nutzen könne und ohne Verkehr angenehm durch die Wälder kurven.


 





Wir kreuzen fünf Tage lang kreuz und quer per Pedes und mit Bike durch den Nationalpark und selbstverständlich kraxeln wir auf die drei höchsten Berge hoch, wo wir tolle Aussichten über die Penobscot Bay geniessen. Es stimmt einfach alles, es sind gelungene Outdoor Ferien sozusagen vor unserer Haustür!

Lobster, Lobster, Lobster …


In allen Farben und Kennungen werden die Lobsterpot Bojen gekennzeichnet
In Neu England, insbesondere aber hier an der Küste von Maine werden unglaublichen Mengen dieser Krustentiere gefischt und gegessen. Weil das Meerwasser so kalt ist, sollen die Hummer von Maine die Besten der Welt sein. Wir können dies nach unserem Lobster Essen bei Molly und Jeff bestätigen.

Die Lobster werden mit Drahtkörben gefangen. In die Körbe werden Köder, wie z. B. toter Fisch gelegt und dann wird der Korb (lobster pot) mit einer langen Leine und einem Schwimmkörper (lobster boje) auf den Meeresgrund hinunter gelassen.

Lobsterman - ein anerkannter, harter Job




















Lange glaubten die Lobstermen, dass die Körbe für die Hummer eine Falle seien, aus denen die Tiere nicht mehr flüchten können. Inzwischen haben Untersuchungen aber ergeben, dass sich die Lobster sehr wohl am Köder genüsslich tun, jedoch leichtfüssig wieder aus der Falle entweichen können -  gut genährt und bereit für die weitere Fortpflanzung. Grosse Lobster beginnen inzwischen sogar „ihren“ Lobsterpot  vor anderen Artgenossen zu verteidigen. Die Lobstermen fangen also mit einem Korb nur etwa einen Drittel der Lobster, welche die Körbe als Fressnapf nutzen. Gut für die Lobster, gut für die Lobstermen, denn der Bestand der Lobster wird durch die gute Nahrung immer besser!

Bei der Arbeit auf See - in diesem tollen Sommerwetter ja ganz idyllisch, doch an einem Januar Morgen und bei Nebel?

Alles dreht sich hier um Lobster ...
Die Anzahl der Lobsterpots pro Lobsterman wurde auf 800 begrenzt. Jeder Lobsterman kennzeichnet seine Bojen mit Farben und Mustern. Nun stelle man sich vor: In der ganze Küstenregion von Maine ist Lobstering die Haupteinkommensquelle. Es gibt hunderte von Lobstermen, die mit ihren Booten unterwegs sind, also etwa 3 000 000 Lobsterpots in den Gewässern von Maine (so viele haben wir jedenfalls fast gezählt! ;) )

Kunst Karikatur - gesehen in Rockport - ziemlich gut getroffen!
Nun ja, wir als Segler finden die bunten Lobsterpot Bojen ja ganz nett als Fotosujets. Hingegen beginnt die Dichte dieser Pots manchmal schon zu nerven, denn man muss aufpassen wie ein Häftlimacher, dass man so eine Boje mit Leine nicht in die Schiffsschraube kriegt!

Wir haben schon ein paar dieser Bojen gefangen, sind sie aber zum Glück gleich von alleine wieder losgeworden.  Vorsichtshalber hat sich Sven einen Neoprenanzug gekauft um im Fall der Fälle mit Messer tauchen zu gehen und die Schraube zu befreien. Bei diesen Wassertemperaturen kein Vergnügen!

Die Wassertemperaturen halten sich nämlich weiterhin zwischen 8 und 14 Grad, je nachdem wie der kalte Labradorstrom von Grönland herunter an die Küste drückt. Im Weiteren sind wir einer Vereinigung beigetreten, ähnlich einem TCS in der Schweiz, welche Abschleppdienste für Schiffe anbietet. Man weiss ja nie, hoffentlich brauchen wir diese Hilfe nie.

Also immer schön weiter im Slalom um die Bojen herum segeln. 
Die Bojen liegen weit verstreut über die ganze Küste von Maine

Besuch bei Molly und Jeff in Portmouth, New Hampshire

Auf dem Weg nach Portsmouth, Übernachtung in Rockport
Für einmal treffen wir auf ein anderes ausländisches Schiff - mit den Holländern teilen wir die Ankerbucht von Rockport
Sightseeing bei Regenwetter in Portsmouth; Neue Verwendung der Schweizer Flagge - Ocean Rescue
Diesmal hat unser Timing mit der CHANTICLEER Crew geklappt. Letztmals sahen wir Molly und Jeff auf Martinique rund 4000 km südlicher in der warmen Karibik. Seither haben wir uns ständig an vereinbarten Ankerplätzen verpasst, blieben aber per Mail in Verbindung. Es ist nicht einfach, sich mit zwei Segelbooten zu verabreden. Doch nun dürfen wir Molly und Jeff zuhause in Portsmouth, New Hampshire besuchen, denn auch CHANTICLEER hat den Weg in den Norden in ihren Heimathafen geschafft. Ein herzliches Willkommen und Wiedersehen erwartet uns.


Safari Njema und Gundalow - das Wahrzeichen von Portsmouth, früher ein typisches Frachtschiff auf dem Piscataqua River, heute Ausflugsboot mit Zweck zur Sensibilisierung für die belastete Flusslandschaft

Wir lernen das hübsche Portsmouth kennen, erfahren von Molly und Jeff viel über das hiesige Leben und die Geschichte dieser Gegend. Zum ersten Mal kommen wir in den Genuss, einen Hummer zu verspeisen! Wer hätte das gedacht, dass ich je einen ganzen Hummer essen würde! Lobster sind in ganz New England die grosse Lokalspezialität. Natürlich amüsieren sich unsere Gastgeber und Charlie und Claire ab unseren ungeschickten Versuchen, die harten Panzer zu knacken! Wir kriegen aber gute Anleitung – und es schmeckt! Ein echtes Esserlebnis!



Übrigens lernten wir Charlie auf dem Weg von Bermuda nach Newport per Funk kennen. Er war alleine mit seiner Yacht LUNACY in die gleiche Richtung unterwegs und einmal am Horizont sichtbar (Eins von zwei gesichteten Schiffen in sechs Tagen auf See). Nachträglich stellte sich heraus, dass Charlie ein guter Freund von Jeff ist und ihm über das unterwegs gesichtete Schweizer Segelschiff berichtete. Tja, die Seglerwelt ist klein und ein Segelboot unter Schweizer Flagge weckt hier einigermassen Aufmerksamkeit.

gemütliches Schlemmern, zu beachten: die grossen Servietten, beim Lobster Essen offiziell nach Knigge am Hals getragen  - mit gutem Grund!
Seit über 40 Jahren segeln Molly und Jeff insbesondere an der zerklüfteten Küste von Maine, das nördlichstes Endziel unserer Segelreise. Wir kriegen ganz viele wertvolle Insidertipps mit auf den Weg und freuen uns riesig, endlich für die letzte Etappe in das „Vacationland“ Maine aufzubrechen!

Nach fünf Tagen in Portsmouth tanken wir Safari Njemas Bauch mit Vorräten, Wasser und Treibstoff voll und segeln 20 h durch in das Naturerlebnis Penobscot Bay, Maine.