Mittwoch, 2. September 2015

Delaware und Chesapeake Bay


Endlich wird ein 24 Stunden Zeitfenster mit Nordwind vorhergesagt und wir können weiterziehen. Wir lassen das heissschwüle New York City nach 18 Tagen und einer auskurierten Sommergrippe hinter uns.
Die Freiheitsstatue winkt uns Adieu
Für den nächsten Reiseabschnitt zu unserem Trockendock im Süden der Chesapeake Bay haben wir keine grossen Erwartungen. Die Reisestrecke verspricht  weder nautisch, landschaftlich noch touristisch gesehen Highlights. Der Küstenabschnitt von New Jersey ist sehr seicht und bietet uns kaum eine Liegemöglichkeit. Doch das stört uns eigentlich wenig, reizen uns doch die hier liegenden Gamblerstädte wie Atlantic City kaum. Also ziehen wir in einem 24Stundenschlag aussen an der Küste vorbei und sehen nachts in der Ferne die Casinos flimmern und leuchten.
Hinter Cape Henlopen finden finden wir einen ruhigen Ankerplatz um auszuschlafen und den richtigen Tidenstrom für den nächsten Tag abzuwarten. Die Delaware Bay  auf der Karte zwar breit, ist aber sehr seicht und mit unseren 1.7m Tiefgang müssen wir bereits einen grossen Teil der Bucht im Fahrwasser der Grossschifffahrt segeln. Der Tidenstrom versetzt mit bis zu 5 km/h nord/süd, etwa alle sechs Stunden alternierend. Entsprechend wollen wir „unseren Lift“ in die Delaware Bay hinein nicht verpassen und planen unsere Weiterfahrt auf Nordstrom Beginn. Der vorherrschende Südwind bläst auch heute wieder und wir lassen uns vom Parasailor nordwärts in die Bay ziehen. Auch in der Delaware Bay stehen uns kaum Ankerplätze oder Marinas mit genügend Wassertiefe zur Verfügung und so landen wir im einzig möglichen Cohansey River bei den Stegen von Greenwich Boat Works.

Cohanesy River
Greenwich - seit Kolonialzeiten ein benutzer Port of Entry in der neuen Welt
Vom Wasser aus gesehen ist vorerst nur eine Schilflandschaft erkennbar. Hätten wir keine Seekarten und von Marvin, dem Werftbesitzer, nicht die Bestätigung, dass sich da ein Fluss durchs Schilf ins Meer schlängelt, hätten wir uns wohl gar nicht in die Nähe getraut. Zudem ist die Annäherung zur Flussmündung kaum markiert. Kurz, hätten wir Alternativen gehabt, wären wir wohl nie in den Cohansey River eingelaufen und hätten damit einen urchigen Flecken Amerika und viele herzliche Menschen verpasst!



                                     


Marvin führt die Werft Greenwich Boat Works, seit Jahrzehnten ein Familienbetrieb. Ganz beeindruckend ist die idyllische Ruhe hier. Irgendwie scheint hier die Zeit stehen geblieben zu sein. Tagsüber plärrt ein Radio mit Rock’nRoll Oldies über den Werftplatz. Im Hintergrund liegen Fracks von Motorbooten, die den Hurrican Sandy im Jahr 2012 nicht überlebt hatten. Safari Njema bekommt nach längerer Zeit wieder einmal einen Platz am Steg und wir schätzen die Bequemlichkeit, einfach kurz aus dem Boot an Land zu hüpfen. Weil wir von dieser friedlichen Atmosphäre so beeindruckt sind, entscheiden wir uns gleich noch eine Nacht und noch eine Nacht und noch eine Nacht zu bleiben.


Gleich am ersten Tag wollen wir die Umgebung mit den Velos erkunden. Ein loses Netz von Landstrassen überzieht die Gegend, vorwiegend Farmland. Zuerst wollen wir den Katamaran besuchen, welcher noch gestern Abend hinter uns den Fluss herauf geschlängelt kam. Er war uns den ganzen Tag am Horizont gefolgt und von weitem sahen wir, dass er die amerikanische Gastland Flagge wie wir trägt – also ein ausländisches Schiff. Als wir näher zum Steg kommen, erkennen wir eine Schweizer Flagge! Über den Zufall sehr erfreut, lernen wir Hedwig und Peter kennen, die mit ihrer St. Helena unterwegs sind. Wir verabreden uns für den nächsten Abend zum Znacht auf Safari Njema. Also machen wir uns als nächstes auf Futtersuche per Velo.
Wie in den grossen Landen der United States so üblich ist das Tante Emma Lädeli ja nicht gerade um die Ecke, und wenn, dann werden dort vorwiegend mal Pommes Chips und Pommes Chips und Pommes Chips und Tiefgefrorenes verkauft. Bis zu den richtigen Supermarkt Zentren ist es dann richtig ein Stück. Also radeln wir mal los über weite Felder mit Mais, Sojabohnen und Tomaten, alles voll im Wachstum und kurz vor der Ernte, und zwischendurch an farm houses vorbei. Wir fragen uns durch und lernen so den weitläufigen Ort Greenwich und seine Einwohner kennen. Ein wirklich verschlafenes Nest! Schlussendlich erreichen wir den beschriebenen Farmgemüse Verkaufsstand nach knapp 15 km! Dafür alles ganz frisch und von der Region für die Region! J

an der Hauptstrasse von Greenwich


Als Marvin uns mit den Taschen am Velo zurückkehren sieht, kann er kaum glauben wie weit man mit einem Fahrrad fahren kann. Er bietet uns grosszügig sein Auto für die nächsten Tage zu Nutzung an, damit wir die restlichen Einkäufe im noch weiter entfernten Bridgeton erledigen können. Dieses Angebot nehmen wir gerne an und packen das Auto am nächsten Tag wiedermal so richtig mit Langzeitvorräten voll und unternehmen einen Tagesausflug in die grosse Stadt Philadelphia, wo wichtige geschichtliche Ereignisse der Vereinigten Staaten stattfanden. 

Highway to Philadelphia
Sven darf wiedermal Ford fahren

Independence Hall - wo die Unabhängigkeit der USA vom British Empire ausgeheckt wurde

Liberty Bell - verkündete erstmals die Unabhängigkeit der USA und gilt seither als das Freiheitssymbol

Die älteste Wohnstrasse der USA ist in Philadelphia
die weltgrösste und spielbare Orgel steht im Wannamaker Departmentstore in Philadelphia 
Die weiteren Tage sind ausgefüllt mit Velotouren, Kayakfahrten, Shopping und gemütlichen Besuchen im einzigen Kaffee von Greenwich. Eigentlich sollten es ja meist kurze Besuche sein, doch wie sich zeigte, hatte es sich bald herumgesprochen, dass da ein Schweizer Segelschiff unten am Fluss liegt, dass den Atlantik überquert haben soll …. Von interessierten und interessanten Menschen werden wir angesprochen und befragt und dürfen gegengleich etwas von ihrem Leben und ihren Ansichten erfahren – ein schöner Austausch!

padeln und Weisskopf Adler beobachten auf dem Cohansey River
 

Nach 5 Nächten zieht es uns aber dann in der Morgenfrühe doch weiter. Am Abend vor der Abreise verabschieden uns Marvin, seinen Verwandten und Freunde, die extra zum Hafen gekommen sind. Wir werden beschenkt mit feinen Leckereien wie frisch gebackene Guetzlis und bekommen viele gute Wünschen auf den Weg mit. Es war schön bei Euch im Cohansey River!

Über einen 19 sm langen Kanal sind die Delaware und die Chesapeake Bay miteinander verbunden. Ein langer, wind- und ereignisloser Tag unter Motorenschub bringt uns in die Chesapeake Bay. Nach den schönen Erlebnissen in Greenwich wirkt vorerst alles etwas fad. Weil es Wochenende ist, sind viele Motorboote unterwegs, die Lärm und Wellen verursachen und uns auf den Kecks gehen. Doch endlich im Sassafras River angekommen, liegen wir in einer schönen weiten rundum bewaldeten Bucht vor Anker.  Von der sonst so dichten Besiedelung ist hier gerade nix zu sehen und wir träumen ein bisschen vom Indianerland und es ist doch noch ganz schön J. Safari Njema liegt seit Loch Ness in Schottland erstmals wieder im Süsswasser und auch wir geniessen das kühlende 26 Grad warme Wasser zum Baden!

South River, Harness Creek
Die Chesapeake Bay ist für sich ein viel gerühmtes Segelrevier. Die meisten amerikanischen Segler, die wir getroffen haben, lassen ihr Boot hier liegen, denn das Angebot an Marinas und Werften ist riesig. Die grosse Bucht bietet genug Platz zum Segeln und viele kleine Flussarme, wo man den Anker werfen kann. Diese nutzen auch wir und suchen uns nach Möglichkeit eine kleine ruhige und beschauliche Bucht zum übernachten aus. Und doch packt uns die Begeisterung hier nicht so richtig, denn das Gebiet ist dicht besiedelt und die Ufer sind wie am Vierwaldstättersee meist verbaut – alles in allem also fast wie zuhause und deshalb nicht gerade spannend. Wir vermissen schon die naturbelassenen Inseln von Maine und freuen uns auf die einsamen Strände in der Karibik!


Doch auch hier treffen wir auf nette und gastfreundliche Menschen. Vorgestern trafen wir Steve King (nein, nicht der Schriftsteller, sondern der Sänger und Personal Coach) im Park und hatten einen netten Schwatz zusammen. Und gestern wurden wir von Reid und Charlie eingeladen, unsere Wäsche und Post in ihrem tollen Haus am Wasser zu erledigen. So sind wir also heute Morgen mit unserer Schmutzwäsche im IKEA Sack per Dinghi über die Bucht geheizt und haben am Dock von Reid und Charlie festgemacht. Die Wäsche wäscht sich nun von alleine und wir sitzen in der gediegenen  Stube, die etwa gleichgross ist wie unsere gesamte Wohnung früher, und ich schreibe wiedermal einen Blogeintrag.

ein Velotürli nach Annapolis, Hauptstadt von Maryland 



Wir wollen nun zügig voran nach Deltaville zum südlichen Ende der Chesapeake Bay, wo wir Safari Njema für einige Zeit aufs Trockendock stellen und sie und uns für ein weiteres Jahr auf See vorbereiten.