Endlich wird ein 24 Stunden Zeitfenster mit Nordwind
vorhergesagt und wir können weiterziehen. Wir lassen das heissschwüle New York
City nach 18 Tagen und einer auskurierten Sommergrippe hinter uns.
Die Freiheitsstatue winkt uns Adieu |
Für den nächsten Reiseabschnitt zu unserem Trockendock im
Süden der Chesapeake Bay haben wir keine grossen Erwartungen. Die Reisestrecke
verspricht weder nautisch,
landschaftlich noch touristisch gesehen Highlights. Der Küstenabschnitt von New
Jersey ist sehr seicht und bietet uns kaum eine Liegemöglichkeit. Doch das
stört uns eigentlich wenig, reizen uns doch die hier liegenden Gamblerstädte
wie Atlantic City kaum. Also ziehen wir in einem 24Stundenschlag aussen an der
Küste vorbei und sehen nachts in der Ferne die Casinos flimmern und leuchten.
Hinter Cape Henlopen finden finden wir einen ruhigen
Ankerplatz um auszuschlafen und den richtigen Tidenstrom für den nächsten Tag
abzuwarten. Die Delaware Bay auf der
Karte zwar breit, ist aber sehr seicht und mit unseren 1.7m Tiefgang müssen wir
bereits einen grossen Teil der Bucht im Fahrwasser der Grossschifffahrt segeln.
Der Tidenstrom versetzt mit bis zu 5 km/h nord/süd, etwa alle sechs Stunden
alternierend. Entsprechend wollen wir „unseren Lift“ in die Delaware Bay hinein
nicht verpassen und planen unsere Weiterfahrt auf Nordstrom Beginn. Der vorherrschende
Südwind bläst auch heute wieder und wir lassen uns vom Parasailor nordwärts in
die Bay ziehen. Auch in der Delaware Bay stehen uns kaum Ankerplätze oder Marinas
mit genügend Wassertiefe zur Verfügung und so landen wir im einzig möglichen Cohansey
River bei den Stegen von Greenwich Boat Works.
Cohanesy River |
Greenwich - seit Kolonialzeiten ein benutzer Port of Entry in der neuen Welt |
Vom Wasser aus gesehen ist vorerst nur eine Schilflandschaft
erkennbar. Hätten wir keine Seekarten und von Marvin, dem Werftbesitzer, nicht
die Bestätigung, dass sich da ein Fluss durchs Schilf ins Meer schlängelt,
hätten wir uns wohl gar nicht in die Nähe getraut. Zudem ist die Annäherung zur
Flussmündung kaum markiert. Kurz, hätten wir Alternativen gehabt, wären wir
wohl nie in den Cohansey River eingelaufen und hätten damit einen urchigen
Flecken Amerika und viele herzliche Menschen verpasst!
Marvin führt die Werft Greenwich Boat Works, seit
Jahrzehnten ein Familienbetrieb. Ganz beeindruckend ist die idyllische Ruhe
hier. Irgendwie scheint hier die Zeit stehen geblieben zu sein. Tagsüber plärrt
ein Radio mit Rock’nRoll Oldies über den Werftplatz. Im Hintergrund liegen Fracks
von Motorbooten, die den Hurrican Sandy im Jahr 2012 nicht überlebt hatten.
Safari Njema bekommt nach längerer Zeit wieder einmal einen Platz am Steg und
wir schätzen die Bequemlichkeit, einfach kurz aus dem Boot an Land zu hüpfen.
Weil wir von dieser friedlichen Atmosphäre so beeindruckt sind, entscheiden wir
uns gleich noch eine Nacht und noch eine Nacht und noch eine Nacht zu bleiben.
Gleich am ersten Tag wollen wir die Umgebung mit den Velos
erkunden. Ein loses Netz von Landstrassen überzieht die Gegend, vorwiegend
Farmland. Zuerst wollen wir den Katamaran besuchen, welcher noch gestern Abend
hinter uns den Fluss herauf geschlängelt kam. Er war uns den ganzen Tag am
Horizont gefolgt und von weitem sahen wir, dass er die amerikanische
Gastland Flagge wie wir trägt – also ein ausländisches Schiff. Als wir näher zum
Steg kommen, erkennen wir eine Schweizer Flagge! Über den Zufall sehr erfreut,
lernen wir Hedwig und Peter kennen, die mit ihrer St. Helena unterwegs sind. Wir
verabreden uns für den nächsten Abend zum Znacht auf Safari Njema. Also machen
wir uns als nächstes auf Futtersuche per Velo.
Wie in den grossen Landen der United States so üblich ist
das Tante Emma Lädeli ja nicht gerade um die Ecke, und wenn, dann werden dort
vorwiegend mal Pommes Chips und Pommes Chips und Pommes Chips und
Tiefgefrorenes verkauft. Bis zu den richtigen Supermarkt Zentren ist es dann
richtig ein Stück. Also radeln wir mal los über weite Felder mit Mais,
Sojabohnen und Tomaten, alles voll im Wachstum und kurz vor der Ernte, und
zwischendurch an farm houses vorbei. Wir fragen uns durch und lernen so den
weitläufigen Ort Greenwich und seine Einwohner kennen. Ein wirklich
verschlafenes Nest! Schlussendlich erreichen wir den beschriebenen Farmgemüse
Verkaufsstand nach knapp 15 km! Dafür alles ganz frisch und von der Region für
die Region! J
an der Hauptstrasse von Greenwich |
Als Marvin uns mit den Taschen am Velo zurückkehren sieht,
kann er kaum glauben wie weit man mit einem Fahrrad fahren kann. Er bietet uns
grosszügig sein Auto für die nächsten Tage zu Nutzung an, damit wir die
restlichen Einkäufe im noch weiter entfernten Bridgeton erledigen können.
Dieses Angebot nehmen wir gerne an und packen das Auto am nächsten Tag
wiedermal so richtig mit Langzeitvorräten voll und unternehmen einen Tagesausflug
in die grosse Stadt Philadelphia, wo wichtige geschichtliche Ereignisse der
Vereinigten Staaten stattfanden.
Highway to Philadelphia |
Sven darf wiedermal Ford fahren |
Independence Hall - wo die Unabhängigkeit der USA vom British Empire ausgeheckt wurde |
Liberty Bell - verkündete erstmals die Unabhängigkeit der USA und gilt seither als das Freiheitssymbol |
Die älteste Wohnstrasse der USA ist in Philadelphia |
die weltgrösste und spielbare Orgel steht im Wannamaker Departmentstore in Philadelphia |
Die weiteren Tage sind ausgefüllt mit Velotouren,
Kayakfahrten, Shopping und gemütlichen Besuchen im einzigen Kaffee von
Greenwich. Eigentlich sollten es ja meist kurze Besuche sein, doch wie sich
zeigte, hatte es sich bald herumgesprochen, dass da ein Schweizer Segelschiff
unten am Fluss liegt, dass den Atlantik überquert haben soll …. Von
interessierten und interessanten Menschen werden wir angesprochen und befragt
und dürfen gegengleich etwas von ihrem Leben und ihren Ansichten erfahren – ein
schöner Austausch!
padeln und Weisskopf Adler beobachten auf dem Cohansey River |
Nach 5 Nächten zieht es uns aber dann in der Morgenfrühe
doch weiter. Am Abend vor der Abreise verabschieden uns Marvin, seinen
Verwandten und Freunde, die extra zum Hafen gekommen sind. Wir werden beschenkt
mit feinen Leckereien wie frisch gebackene Guetzlis und bekommen viele gute
Wünschen auf den Weg mit. Es war schön bei Euch im Cohansey River!
Über einen 19 sm langen Kanal sind die Delaware und die
Chesapeake Bay miteinander verbunden. Ein langer, wind- und ereignisloser Tag
unter Motorenschub bringt uns in die Chesapeake Bay. Nach den schönen
Erlebnissen in Greenwich wirkt vorerst alles etwas fad. Weil es Wochenende ist,
sind viele Motorboote unterwegs, die Lärm und Wellen verursachen und uns auf
den Kecks gehen. Doch endlich im Sassafras River angekommen, liegen wir in
einer schönen weiten rundum bewaldeten Bucht vor Anker. Von der sonst so dichten Besiedelung ist hier
gerade nix zu sehen und wir träumen ein bisschen vom Indianerland und es ist
doch noch ganz schön J.
Safari Njema liegt seit Loch Ness in Schottland erstmals wieder im Süsswasser
und auch wir geniessen das kühlende 26 Grad warme Wasser zum Baden!
South River, Harness Creek |
Die Chesapeake Bay ist für sich ein viel gerühmtes
Segelrevier. Die meisten amerikanischen Segler, die wir getroffen haben, lassen
ihr Boot hier liegen, denn das Angebot an Marinas und Werften ist riesig. Die
grosse Bucht bietet genug Platz zum Segeln und viele kleine Flussarme, wo man
den Anker werfen kann. Diese nutzen auch wir und suchen uns nach Möglichkeit eine
kleine ruhige und beschauliche Bucht zum übernachten aus. Und doch packt uns
die Begeisterung hier nicht so richtig, denn das Gebiet ist dicht besiedelt und
die Ufer sind wie am Vierwaldstättersee meist verbaut – alles in allem also
fast wie zuhause und deshalb nicht gerade spannend. Wir vermissen schon die
naturbelassenen Inseln von Maine und freuen uns auf die einsamen Strände in der
Karibik!
Doch auch hier treffen wir auf nette und gastfreundliche
Menschen. Vorgestern trafen wir Steve King (nein, nicht der Schriftsteller,
sondern der Sänger und Personal Coach) im Park und hatten einen netten Schwatz
zusammen. Und gestern wurden wir von Reid und Charlie eingeladen, unsere Wäsche
und Post in ihrem tollen Haus am Wasser zu erledigen. So sind wir also heute Morgen
mit unserer Schmutzwäsche im IKEA Sack per Dinghi über die Bucht geheizt und
haben am Dock von Reid und Charlie festgemacht. Die Wäsche wäscht sich nun von
alleine und wir sitzen in der gediegenen
Stube, die etwa gleichgross ist wie unsere gesamte Wohnung früher, und ich
schreibe wiedermal einen Blogeintrag.
ein Velotürli nach Annapolis, Hauptstadt von Maryland |
Wir wollen nun zügig voran nach Deltaville zum südlichen
Ende der Chesapeake Bay, wo wir Safari Njema für einige Zeit aufs Trockendock
stellen und sie und uns für ein weiteres Jahr auf See vorbereiten.