Unter strahlend blauem Himmel mit einer frischen Ostbrise
heben wir den Anker für den nächsten langen Schlag unserer Safari Njema. Eine
letzte Runde durch das Ankerfeld und Zuwinken der uns bekannten Boote. Mike ist
mit Seahawk schon weg. Die Madrugada, die mintgrüne Tschunke auch unter
Schweizerflagge, wartet noch auf Crew und gutes Wetter, die Rote Grütze auf
Captaine Axel’s Gesundung. Gisela und Gunther von der Roten Rütze verabschieden
uns mit dem Abschiedssong Bye, Bye Roseanna und das Nebelhorn der Roten Grütze
begleitet uns aus der Ankerbucht und los
geht’s durch die enge Ausfahrt aus Bermuda! Schön war’s hier mit Euch und auf
Bermuda!
Der Beginn ist ruppig. Safari Njema muss sich unter Motorenkraft ankämpfen gegen fünf Windstärken und eine Atlantikwelle, die sich über tausende Kilometer
aufgebaut hat und nun, aufgebracht über die Riffbremse von Bermuda, an der Küste
aufbäumt und zerschlägt. Gerade mal 2 Knoten Fahrt schaffen wir in
diesem ungestümen Wasser – Safari Njema taucht tief ein und bei der hinter uns
liegenden Leeküste mit all den Riffen …. nicht gerade gemütlich. Doch nach zwei
Stunden haben wir das Ende des betonnten Fahrwassers erreicht und können
abdrehen und den Wind endlich für uns nutzen - aufschnaufen und geniessen.
Zwei Tage lang bleiben uns angenehme achterliche Winde treu.
Strahlend blauer Himmel und 28 Grad Luft- und 22 Grad Wassertemperatur bereiten
uns ruhige Segeltage und Nächte. Wir bauen die Nachtwachen auf sechs Stunden
aus, da es sich so gut aushalten lässt – der Mond und die Sterne leuchten uns
den Weg. Zwei andere Segelschiffe nehmen wir am Horizont wahr. Beide nutzen wie
wir das beständige schöne Wetter für die Reise in die USA. Je als Einhandsegler
unterwegs warnen sie uns vor ihren Schlafphasen, wo ihr Schiff unbegleitet vor
sich hinsegelt. Keine Sorge, wir haben 24 h Wache und schauen auch ein bisschen
auf Euch und behalten Abstand.
Nach drei Tagen erreichen wir erstmals den Golfstrom oder
zumindest einen Teil davon. Die Wassertemperatur springt schlagartig auf 24
Grad, das Wasser wird quierlig und – flutsch - wir haben bis zu 4 Knoten
Strömung für uns nach Norden!
Die Überquerung des Golfstroms ist die grosse
Herausforderung bei dieser Passage. Der warme Golf Strom befördert rund
einhundertmal so viel Kubikmeter Wasser wie alle Flüsse der Welt zusammen ins
Meer fliessen. Eine unglaubliche Masse Wasser. Er zieht im Ungefähren von
Florida entlang der amerikanischen Küste über den Atlantik nach Europa, hat
grössten Einfluss auf dessen Klima und bringt zum Beispiel Irland das
gemässigte warme Klima. Nur leider wird der Golfstrom von Stürmen und Hurrikans
zeitweise gestört und braucht dann wieder seine Zeit um sich in seine übliche
Laufrichtung zu begeben. Am Rande des Golfstromes sind starke Wirbel. Nebst der
starken Strömung kann der Golfstrom einer Segelyacht auch sonst das Leben
angenehm oder schwer machen, denn bei einer Wettersituation Strömung mit
Gegenwind baut sich eine eklige bis gefährliche See auf.
Für unsere Ueberfahrt treffen wir auf einen „gestörten
Golfstrom“. Die Prognose erhalten wir letztmals vor dem Auslaufen ab Bermuda
und können wir, im Unterschied zu den Windprognosen, auf See nicht über Funk
erhalten. Also müssen wir uns eine Strategie zurechtlegen wie wir durch die
Strömungswirbel und mit möglichst viel Schub zur amerikanischen Küste gelangen.
Mit etwas Umweg und dann doch Gegenstrom von 1.5 Knoten
während einer Nacht gelingt das Durchschlängeln einigermassen gut. Frappant
ist, wie sich die Temperatur innert Minuten verändert, je nachdem wie wir in
oder aus dem Strom gelangen. Und es ist ein ständiges Hoffen und Bangen auch ja
die richtige Strömung zu erwischen. Beruhigend ist für uns, dass wir leichten
Wind haben. Da nehmen wir die paar Motorenstunden während der Flautenstrichen
als kleineres Uebel gerne in Kauf.
Unterwegs erhalten wir die neusten Wetterinfos: Auf Sonntag,
30. Mai wird Nordwind nördlich von Cape Cod angesagt. Das wäre unser letzter
Segeltag bevor wir Portland in Maine erreichen. Oje! Nun dann müssen wir
umdisponieren und die Pläne ändern. Wie froh sind wir jetzt, dass wir alle
Papier- und elektronischen Karten von der Küste noch in St. Martin und Bermuda
besorgt haben, denn diese Küste ist zerklüftet, mit viel Tidenstrom versehen, gespickt
mit Fischernetzen und Lobsterpots und bekannt für die Nebelbänke! Wir
entscheiden uns für Newport auf Rhode Island – das Seglermekka und lange Austragungsort
des legendären America’s Cup und Stopover der legendären Volvo Ocean Race
Regatta.
Am Freitagmorgen verlassen wir definitiv den Golfstrom. Innert
zehn Minuten fällt die Wassertemperatur von 22 Grad auf 11 Grad hinunter. Die
Lufttemperaturen kühlen nun auch merklich ab. Noch ist es in der Sonne angenehm
T-Shirt-warm. Die Wasserfarbe wird kaltgrau und sofort riecht die See anders –
herb und frisch – und bekommt eine samtene Oberfläche. Ein gewaltiges Naturschauspiel!
Wir befinden uns über dem Schelfanstieg, wo der Meeresgrund von über 4000 Meter
wieder auf etwa 200 Meter Wassertiefe ansteigt. Und plötzlich brodelt das
Wasser und Seevögel kreisen über dem Meer. Eine Delfinschule von über 100
Tieren umschwimmt uns!
Noch zwei Stunden von Newport entfernt dann ein Schock. Das
Steuerrad hat nach ein paar dumpfen Poltern keine Wirkung mehr. Wir fahren
durch den Segeldruck in den Wind und Safari Njema legt sich selbständig bei –
das heisst, treibt mit backgehaltenen Vorsegel sanft und ohne Fahrt auf dem
Meer. Über den Autopilot haben wir noch Einwirkung auf das Ruder und können das
Schiff so in Stellung halten, doch wir treiben mit der Strömung rund 2 Knoten –
zum Glück weg von der Küste! Sven geht sofort nach unten und schaut sich die
Ruderanlage an. Einmal mehr hat sich unsere lange Vorbereitung und das
Kennenlernen des Schiffes gelohnt und Sven erkennt sofort wo der Fehler liegt.
Aus dem Steuerquadrant hat sich unerklärlicherweise das Drahtseil gelöst. Sven kann das Steuerseil neu spannen und weiter segeln wir – nun bald sehr froh endlich
Newport zu erreichen!
Knapp 200 Meter vom Ufer entfernt lichtet sich dann endlich der Nebel und - hohoho! - wir erreichen bei strahlendem Sonnenschein Newport und damit Festland Amerika!