Sonntag, 31. Mai 2015

Bermuda, St. George – Newport, Rhode Island

Unter strahlend blauem Himmel mit einer frischen Ostbrise heben wir den Anker für den nächsten langen Schlag unserer Safari Njema. Eine letzte Runde durch das Ankerfeld und Zuwinken der uns bekannten Boote. Mike ist mit Seahawk schon weg. Die Madrugada, die mintgrüne Tschunke auch unter Schweizerflagge, wartet noch auf Crew und gutes Wetter, die Rote Grütze auf Captaine Axel’s Gesundung. Gisela und Gunther von der Roten Rütze verabschieden uns mit dem Abschiedssong Bye, Bye Roseanna und das Nebelhorn der Roten Grütze begleitet uns aus der Ankerbucht  und los geht’s durch die enge Ausfahrt aus Bermuda! Schön war’s hier mit Euch und auf Bermuda!

Der Beginn ist ruppig. Safari Njema muss sich unter Motorenkraft ankämpfen gegen fünf Windstärken und eine Atlantikwelle, die sich über tausende Kilometer aufgebaut hat und nun, aufgebracht über die Riffbremse von Bermuda, an der Küste aufbäumt und zerschlägt. Gerade mal 2 Knoten Fahrt schaffen wir in diesem ungestümen Wasser – Safari Njema taucht tief ein und bei der hinter uns liegenden Leeküste mit all den Riffen …. nicht gerade gemütlich. Doch nach zwei Stunden haben wir das Ende des betonnten Fahrwassers erreicht und können abdrehen und den Wind endlich für uns nutzen - aufschnaufen und geniessen.

Zwei Tage lang bleiben uns angenehme achterliche Winde treu. Strahlend blauer Himmel und 28 Grad Luft- und 22 Grad Wassertemperatur bereiten uns ruhige Segeltage und Nächte. Wir bauen die Nachtwachen auf sechs Stunden aus, da es sich so gut aushalten lässt – der Mond und die Sterne leuchten uns den Weg. Zwei andere Segelschiffe nehmen wir am Horizont wahr. Beide nutzen wie wir das beständige schöne Wetter für die Reise in die USA. Je als Einhandsegler unterwegs warnen sie uns vor ihren Schlafphasen, wo ihr Schiff unbegleitet vor sich hinsegelt. Keine Sorge, wir haben 24 h Wache und schauen auch ein bisschen auf Euch und behalten Abstand.

Nach drei Tagen erreichen wir erstmals den Golfstrom oder zumindest einen Teil davon. Die Wassertemperatur springt schlagartig auf 24 Grad, das Wasser wird quierlig und – flutsch - wir haben bis zu 4 Knoten Strömung für uns nach Norden!

Die Überquerung des Golfstroms ist die grosse Herausforderung bei dieser Passage. Der warme Golf Strom befördert rund einhundertmal so viel Kubikmeter Wasser wie alle Flüsse der Welt zusammen ins Meer fliessen. Eine unglaubliche Masse Wasser. Er zieht im Ungefähren von Florida entlang der amerikanischen Küste über den Atlantik nach Europa, hat grössten Einfluss auf dessen Klima und bringt zum Beispiel Irland das gemässigte warme Klima. Nur leider wird der Golfstrom von Stürmen und Hurrikans zeitweise gestört und braucht dann wieder seine Zeit um sich in seine übliche Laufrichtung zu begeben. Am Rande des Golfstromes sind starke Wirbel. Nebst der starken Strömung kann der Golfstrom einer Segelyacht auch sonst das Leben angenehm oder schwer machen, denn bei einer Wettersituation Strömung mit Gegenwind baut sich eine eklige bis gefährliche See auf.
Für unsere Ueberfahrt treffen wir auf einen „gestörten Golfstrom“. Die Prognose erhalten wir letztmals vor dem Auslaufen ab Bermuda und können wir, im Unterschied zu den Windprognosen, auf See nicht über Funk erhalten. Also müssen wir uns eine Strategie zurechtlegen wie wir durch die Strömungswirbel und mit möglichst viel Schub zur amerikanischen Küste gelangen.
Mit etwas Umweg und dann doch Gegenstrom von 1.5 Knoten während einer Nacht gelingt das Durchschlängeln einigermassen gut. Frappant ist, wie sich die Temperatur innert Minuten verändert, je nachdem wie wir in oder aus dem Strom gelangen. Und es ist ein ständiges Hoffen und Bangen auch ja die richtige Strömung zu erwischen. Beruhigend ist für uns, dass wir leichten Wind haben. Da nehmen wir die paar Motorenstunden während der Flautenstrichen als kleineres Uebel gerne in Kauf.

Unterwegs erhalten wir die neusten Wetterinfos: Auf Sonntag, 30. Mai wird Nordwind nördlich von Cape Cod angesagt. Das wäre unser letzter Segeltag bevor wir Portland in Maine erreichen. Oje! Nun dann müssen wir umdisponieren und die Pläne ändern. Wie froh sind wir jetzt, dass wir alle Papier- und elektronischen Karten von der Küste noch in St. Martin und Bermuda besorgt haben, denn diese Küste ist zerklüftet, mit viel Tidenstrom versehen, gespickt mit Fischernetzen und Lobsterpots und bekannt für die Nebelbänke! Wir entscheiden uns für Newport auf Rhode Island – das Seglermekka und lange Austragungsort des legendären America’s Cup und Stopover der legendären Volvo Ocean Race Regatta.

Am Freitagmorgen verlassen wir definitiv den Golfstrom. Innert zehn Minuten fällt die Wassertemperatur von 22 Grad auf 11 Grad hinunter. Die Lufttemperaturen kühlen nun auch merklich ab. Noch ist es in der Sonne angenehm T-Shirt-warm. Die Wasserfarbe wird kaltgrau und sofort riecht die See anders – herb und frisch – und bekommt eine samtene Oberfläche. Ein gewaltiges Naturschauspiel! Wir befinden uns über dem Schelfanstieg, wo der Meeresgrund von über 4000 Meter wieder auf etwa 200 Meter Wassertiefe ansteigt. Und plötzlich brodelt das Wasser und Seevögel kreisen über dem Meer. Eine Delfinschule von über 100 Tieren umschwimmt uns!




Wir wollen unbedingt bei Tageslicht Landfall machen und uns Newport nähern. Deshalb geben wir mit Motorenhilfe etwas Nachschub und so erreichen wir nach einer kühlen und taufeuchten letzten Nacht die Küstengewässer Amerikas. Doch von Amerika ist keine Spur zu sehen! Wir segeln durch dichten Nebel obwohl über uns die Sonne scheint! Den ganzen Samstag fahren wir nach Ohr, Radar, AIS und anstrengendem Ausguck. Der Funkkanal 16 läuft auf Hochtouren. Um uns rum geben Schiffe ihre Position bekannt, sprechen sich mit anderen, auf dem Radar sichtbaren Schiffen ab, wie man zu kreuzen gedenkt. Auch wir werden aus dem weissen Dunst heraus angefunkt. So mystisch und schön die Stimmung zunächst wirkt – es ist auch unheimlich im Blindflug über das Meer zu gleiten. Fischernetzbojen sieht man erst aus kaum 10 Meter Entfernung!

Noch zwei Stunden von Newport entfernt dann ein Schock. Das Steuerrad hat nach ein paar dumpfen Poltern keine Wirkung mehr. Wir fahren durch den Segeldruck in den Wind und Safari Njema legt sich selbständig bei – das heisst, treibt mit backgehaltenen Vorsegel sanft und ohne Fahrt auf dem Meer. Über den Autopilot haben wir noch Einwirkung auf das Ruder und können das Schiff so in Stellung halten, doch wir treiben mit der Strömung rund 2 Knoten – zum Glück weg von der Küste! Sven geht sofort nach unten und schaut sich die Ruderanlage an. Einmal mehr hat sich unsere lange Vorbereitung und das Kennenlernen des Schiffes gelohnt und Sven erkennt sofort wo der Fehler liegt. Aus dem Steuerquadrant hat sich unerklärlicherweise das Drahtseil gelöst. Sven kann das Steuerseil neu spannen und weiter segeln wir – nun bald sehr froh endlich Newport zu erreichen!


Knapp 200 Meter vom Ufer entfernt lichtet sich dann endlich der Nebel und - hohoho! - wir erreichen bei strahlendem Sonnenschein Newport und damit Festland Amerika!