Donnerstag, 12. Mai 2016

im Bermuda Dreieck

N 31° 49,53
W 65° 49,51
Kurs 72°, Wind N 5 kts,
Log 718 sm
7 Tage unterwegs


Es ist still in diesen Tagen auf dem Atlantik. Nur ein leiser Zug geht und eine sanfte Dünung lässt das Schiff kaum schaukeln. So war es in den letzten 3 Tagen sehr oft und leider viel zu oft mussten wir die Maschine anschmeissen, um überhaupt Weg gut zu machen.

Die mit "fantastic sail!" prognostizierte Vorhersage unseres Wetterrouters hat sich nicht ganz so bestätigt. Zwar hatten wir die ersten vier Tage durchaus angenehmen Wind, der uns im Mittel zwischen Komfort und Schnelligkeit voranbrachte, doch gleichzeitig bremste uns ein Gegenstrom von 1 - 2 Knoten, das sind bis zu 40% von Safari Njemas Geschwindigkeit (!), und liess uns viel langsamer vorankommen als üblich. Für die zweite Hälfte der Passage hatten wir zwar leichte Winde erwartet, gingen jedoch davon aus, dass bis dahin schon weit mehr als 50% Weg gesegelt sind. Tja - falsch gedacht - mehr als die Hälfte des Weges lag noch vor uns, als das Bermuda Hoch sich stabilisierte und die grosse Zone mit "no wind from nowhere" brachte. Ergo mussten wir uns bald Gedanken über unseren Dieselvorrat machen. Rund 100 Stunden oder umgerechnet 300 Seemeilen oder 440 km bringen wir Safari Njema unter Motor voran. Dies ist noch abhängig vom Seegang und natürlich Strömungen, die diese Reichweite stark beeinflussen.

In dieser verzwickten Situation ist es gut Kameradschaft zu haben. Mit der australischen Taipan und der britischen Hunda sind wir zu dieser Passage aufgebrochen. Beide Paare sind alte erfahrene Salzbuckel, seit 15 und 23 Jahren mit ihren Schiffen auf den Weltmeeren unterwegs. Mit ihnen vereinbarten wir tägliche Funkrunden, wo wir die Position und das allgemeine Wohlbefinden austauschen. Es tut gut, bestätigt zu bekommen, dass auch sie den Gegenstrom spüren (kein Bermuda Dreieck Hirngespinst unsererseits also), dass auch sie die Wetterprognose optimistischer eingeschätzt haben und sich auch ein Beispiel zu nehmen an ihrer Geduld mit den vorliegenden Umständen.
Taipan hat einen Dieselvorrat für die Gesamtstrecke, Hunda knapp gleich viel Treibstoff wie wir. Beide Schiffe sind 2 und 4 Meter länger als Safari Njema, d. h. eigentlich bedingt durch die Länge schneller, aber auch schwerer, was vermehrt Einfluss bei leichtem Wind hat. Beide Schiffe haben mindestens 40 cm mehr Tiefgang als Safari Njema, was ihnen bei unserem Startpunkt in Marsch Harbour einen Streich spielte. Als noch Flut herrschte beim Starthafen, war das Unwetter noch nicht ganz abgezogen. Auch wir mussten zwei Stunden mit dem Start warten und den Wind etwas abflauen lassen, konnten dann aber bei bester Brise starten. Zu diesem Zeitpunkt war das Wasser allerdings schon wieder gesunken und Hunda und Taipan blieben wegen Grundberührung im Hafen feststecken. Also mussten sie rund 10 Stunden bis zur nächsten Flut warten und verpassten damit eigentlich den besten Windtag der Passage.

Die 16m lange Taipan holte uns nach etwa 36 Stunden ein. Da ihr Rumpf stark bewachsen ist, kann auch sie zurzeit nicht ihre volle Geschwindigkeit erbringen und so segelten wir rund 30 Stunden in Sichtweite nebeneinander her. Dave und Kris boten uns an, von ihrem Diesel zu leihen, um uns mehr Flexibilität für Motorstrecke zu verschaffen. Wir nahmen das Angebot einerseits dankbar, andererseits zähneknirschend an, denn es ist nun mal nicht unsere Vorstellung vom Segeln, über solch lange Strecken zu motoren. Dies brachte uns eine neue Erfahrung auf See:

Es ist sehr heikel, sich einander auf See zu nähern. Kommen sich die beiden Segelschiffe zu nah, verhedern sich wegen Wellen und Dünung leicht die Riggs ineinander, was zu massiven Schäden führen kann. Übrigens haben solche Vorkommnisse in den alten Seeschlachten mit über den Ausgang des Kampfes entschieden.
Wir warteten deshalb für die Übergabe die erste Vollflaute und die Beruhigung der Wellen ab. In Schleichfahrt nähern wir uns Taipan von hinten und schliessen bis auf knapp 10 Meter Abstand auf gleiche Höhe auf, also gerade so schnell, dass mit dem Steuerrad genug Einwirkung bleibt und gleichzeitig innert Sekunden das Schiff abgebremst werden kann. Unsere 14 und wohl etwa 18 Meter hohen Masten pendelten unkontrollierbar hin und her. Dave wirft die rund 30 Meter lange leichte Leine, woran die drei Dieselkanister befestigt sind. Die Wurfleine verpasst knapp das Ziel. Schnell reagiert Sven mit Bootshaken und kann sie gerade noch fischen, bevor wir an der Schwimmleine vorbei sind und ich stoppe sofort das Boot. Unter Fahrt wäre es nicht möglich, die schweren Dieselkanister von der Taipan herüber zu ziehen und aufs Boot zu hieven. Nun muss es also schnell gehen - Safari Njema stoppen, Leine anziehen und Taipan muss ihrerseits schleunigst die Kanister zu Wasser lassen und sich von uns frei und davon machen. Alles gut geglückt, aber zum Winken und einen Schwatz halten bleiben wir nur kurz in Rufnähe. Es ist schön nach 3 Tagen zwei gute Menschenseelen zu sehen!

Begleitung ganz anderer Art genossen wir während den ersten Tagen - Blinde Passagiere. Vom vorausgegangenen Unwetter wurden wohl viele kleine Vögel ins Meer vertrieben. Im Unterschied zu den Seevögeln, können sie weder schwimmen, Nahrung finden noch sind sie sich gewohnt die langen Strecken zu fliegen (ausser die Zugvögel natürlich). So treffen noch am ersten Tag zwei kleine Strandläufer und ein Grünfink oder Meise bei uns ein. Alle drei haben Mühe, in den Segel Abwinden auf dem Schiff sicher zu landen. Vor Erschöpfung setzen sie sich nur noch hin, zeigen kaum Scheu vor uns, bewegen sich die ersten Stunden kaum. Wir versuchen sie zu füttern, bieten Wasser an. Die Strandläufer verschmähen dies, sie möchten doch lebende kleine Insekten oder Müscheli. Der Grünling wirkt lebendiger, er hüpft bald allen Leinen und der Reling entlang auf der Suche nach Mücken oder Käfern. Davon haben wir auf See leider wenig zu bieten, doch wenigstens gibt er sich mit Apfel und Brösel vom Marmor Cake ab. Wir freuen uns an den drei blinden Passagieren und hoffen sie aufpäppeln zu können.
Nach einigen Stunden wollen die Strandläufer anderswo ihr Glück versuchen - sie fliegen auf und davon. Der eine kommt später erneut und noch mehr erschöpft zurück. Über Nacht lässt er sich neben unsere Navigationsgeräte setzen, stirbt dann aber leider im Morgengrauen.
Der Grünling wirkt kräftiger und neugierig. Noch tagsüber erkundet er das Innere des Schiffes und sucht sich auf der Wäscheleine in der vorderen Koje einen windstillen und geschützten Nachtplatz. Gut so, denn in dieser Nacht haben wir zwei Schauerfronten, die mit 25 Knoten Wind vorüberziehen und von uns entsprechend rasches Handeln verlangen. Leider entscheidet sich der Piepmatz in den folgenden Nächten für einen Schlafplatz an Deck. In der dritten Nacht wird er von einem Knall im Grosssegel aufgeschreckt und fliegt in Panik davon. Obwohl wir die ganze Nacht die Decksleuchte brennen liessen, hat er uns nicht mehr gefunden. Traurig darüber segeln wir ohne unseren Piepmatz weiter, den wir doch so gerne nach Bermuda gebracht hätten. Eine kleine Schwalbe tröstet uns. Ihr können wir in der folgenden Nacht eine Ruhepause auf ihrem langen Weg in den nordischen Sommer anbieten. Sie ist ein Zugvogel und wird ihren Weg bestimmt finden.

So vergehen die Tage auf See mehr oder weniger ereignislos. Für uns beide sind die langen Passagen immer noch mehr "Weg zum Ziel" als "der Weg ist das Ziel". Schlaf- und Bewegungsmangel lassen uns bald zappelig und ungeduldig auf die Ankunft werden. Zwischendurch geniessen wir durchaus die schönen Sternennächte, Sonnen und Mond Auf- und Untergänge, das wunderschöne blau des Ozeans, das leise plätschern des Wassers, die Unendlichkeit . Podcasts und Musik hören und Bücher lesen verkürzen uns die Wachen. Die Düfte aus der Küche riechen hier so intensiv und fein, dass unsere Hauptmahlzeit immer ein Höhepunkt des Tages ist. Bei diesen ruhigen Seeverhältnissen lässt es sich relativ gut kochen und der Zubereitung von ganzen Menues steht nichts im Weg. Salate, Rösti und Spiegelei, Couscous, Kartoffelgratin, Rüebli und Schinkensteaks, Risotto .

Morgen Freitag, werden wir bei Tageslicht in St. George auf Bermuda einlaufen. Nach mehreren Monaten wieder einmal ein bekannter Hafen! Ein gutes Gefühl und wir können's kaum erwarten! Land schon fast in Sicht und die dritte Passage durch das knifflige Bermuda Dreieck geschafft!