Dienstag, 12. Juli 2016

Bordleben auf Passage

12. Juli 2016
UTC 1200
43°45 N 015°36 W
Kurs 70°
Log 694 sm
to go 360 sm
Durchschnitt Tagesetmal 115 sm

Seit 6 Tagen unterwegs. Horta verlassen wir bei Nebel und einer Sichtweite von 300 m. Schade, hätten wir doch dem Pico und der Insel Fajal gerne zum Abschied gewunken. Zum Glück streift der Nebel nur um die Inseln herum und nach 2 Stunden segeln wir bei Sonnenschein in Richtung nordöstlich gelegener Insel Graciosa. Erst nach Dämmerung erreichen wir die Höhe dieser Insel. Es gluschtet uns, doch noch abzubiegen und noch eine weitere Insel zu besuchen, noch ein bisschen länger in unseren Inselwelten zu verweilen.
Doch der Windgott schickt uns weiter. Wir wollen uns das Wetterfenster nach Spanien nicht entgehen lassen und schlussendlich auf den Azoren hängen bleiben. Deshalb halten wir Kurs und blicken wehmütig auf Graciosa hinüber, nehmen Abschied von den Azoren, der letzten angelaufenen Inselgruppe unserer Reise. Durch Strassenlichter erhellt scheinen die Dörfer weit durch die Nacht zu uns und die Umrisse der Insel sind klar zu erkennen.

Nun geht's Richtung Nordspanien. Leichter, angenehmer Wind zwischen 3 - 4 Bft ist angesagt und er hält sich an die Prognosen. Besser noch, als für den 5. Tag Flaute angesagt ist, bleibt er uns erhalten. Wir liegen knapp vor dem nahenden Hochdruck Gebiet, welches Flaute mit sich bringt. Doch noch segeln wir und mit dem durschnittlichen Tagesetmal von 115 sm. Wir sind zwar etwas langsamer als auf anderen Passagen, dafür aber konstant und gemütlich unterwegs.

Schön verteilt auf die Tage treffen wir zweimal Gruppen von Delfinen, 2 Schildkröten, zig Quallen der Art Portugisiesche Galeere und einen riesigen Spermwal. Wir sehen nur seinen langen Rücken und hören sein tiefes Schnaufen. Ich glaube er war am Schlafen und zum Glück seitlich versetzt uns entgegen geschwommen - also keine Gefahr für ihn und uns - ein mächtiges Urviech.

Nur wenig Schiffverkehr treffen wir an. Die Seglerkommune hat sich in Horta aufgeteilt. Nach der Atlantiküberquerung sind die Wege nun wieder offener: die einen zieht ins Mittelmeer, die anderen an die spanische/portugiesische Küste oder dann nach Norden über die Biskaya. In Horta haben wir uns von der australischen Taipan verabschiedet, in der Hoffnung, Kris und Dave später mal in der Schweiz auf Ihrer Ueberlandreise durch Europa wieder zu sehen. Vorerst will Taipan Irland und das vereinigte Königreich besuchen.
Die englische Hunda wählt für das Winter Halbjahr den Weg ins warme Südspanien. Greta May ist noch unterwegs. Jane und Dave werden Horta nach unserer Abreise erreichen und wir werden sie leider verpassen. Ihr Heimathafen liegt in Wales und dies ist ja "nur" ein Katzensprung von der Bretagne weg, oder? Hoffentlich ergibt sich ein Wiedersehen.

Abschiedsgefühle von unseren Freunden, Endstimmung und Dankbarkeit über unsere lange und bald endende Atlantikreise prägen unsere letzte lange Passage. Obwohl wir wohl die langen Passagen kaum vermissen werden, waren sie doch immer ein herausfordernder und intensiver Teil unseres Segeltörns. Wir erleben nochmals intensiv die langen Stunden im Cockpit, die sternenklaren Nächte, die Einsamkeit auf See, den ewigen Puls der See, die ständige Müdigkeit wegen Schlafmangels und die immerwährende Sehnsucht nach baldigem Landfall.

Ein Frachter kreuzt heute morgen nur etwa 1 Seemeile entfernt unseren Weg. Endlich wiedermal was anderes als Blau zu sehen. Freundlich hupt er uns zum Gruss mit seinem tiefen dröhnenden Horn. Ein kurzer Schwatz über Funk bringt wohl beiden Schiffen Abwechslung in den langen Tag auf See. Antwerp Trader ist leer, gut sichtbar ist seine freie Wasserlinie. Er kommt von Dänemark und will in nur 12 Tagen im neu eröffneten Panamakanal sein. Ja diese Frachter sind bis zu viermal schneller unterwegs als Safari Njema und nebenbei gesagt natürlich nicht auf Wind und Strom angewiesen.

Wir hingegen nehmen was uns die nächsten Tage bringen: wahrscheinlich 1 Tag Flaute und leichte Winde bis uns Gegenwind ums Kap Ortegal am Ende der Woche das Seglerleben erschweren wird. Malsehen wo wir landen, ob wir das Kap Ortegal runden können oder La Coruna ansteuern werden.
Europa wir kommen!