Samstag, 16. Juli 2016

Der Kreis hat sich geschlossen


Die Atlantikrunde ist vollbracht und wir sind nach knapp zwei Jahren zurück in Muxia, diesem kleinen gemütlichen Fischerdort etwas nördlich vom Kap Finisterre in Nordspanien.

Also das allerschönste beim Segeln ist das fantastische Gefühl des Landfalls – von der weiten, blauen Wüste kommend, dieser für den Menschen eigentlich unwirtlichen, wenn auch urschönen Gegend zurück zu kehren, sich dem Land und heute war’s immerhin die riesige Landmasse Europas, zu nähern, langsam die Umrisse der kargen Küste zu sehen, das sehnsüchtige Warten während des bedächtigen Näherns, immer klarer die Zeichen von Zivilisation, den Leuchtturm, Gebäude, Windstromanlagen, die Hafenmole, die Hafeneinfahrt, Menschen zu sehen und all das im strahlenden, goldenen Licht vor Sonnenuntergang – einfach absolut wunderbar!

Land in Sicht!

Die Kirche von Muxia
Sven bereitet die Leinen für den Hafen vor
müde aber bald geschafft
Umso stärker sind diese Gefühle nach den rauen Bedingungen der vorgehenden 30 Stunden. Dabei sah alles so gut aus für Safari Njema. Während den ersten 7 Tagen hatten wir guten Weg gen Nordost gemacht mit genügend Spatzung, um das Kap Ortegal weit aussenrum zu runden, wohl die lokal vorherrschenden Winde einberechnend. Und dann dies:
150 Seemeilen vor dem Kap Ortegal erreicht uns nach einem Tag Flaute zunehmender Ostnordost Wind – also genau auf die Nase! Herrje und dabei haben die Wetterprognosten diesen erst vor wenigen Stunden aus dem Hut und uns durchs Äther gezaubert! Und so kam alles anders als erwartet oder, wie Gerda immer sagt: Abgerechnet wird im Hafen!

Die letzten 30 Stunden sind hartes Segeln oder „U-Boot fahren“ wie Gunther dies benennt. Gegen Wind, durch Wellen und Strom kämpft sich Safari Njema bei bis zu 35 Knoten Windstärke nach Europa. An unserem Ziel das Kap Ortegal zu runden oder la Coruna zu erreichen können wir nicht festhalten – Planänderung – gut kennen wir die Küste und sichere Häfen. Die Bedingungen zwingen uns klein bei zu geben und bald heisst das schlichte Ziel, Schiff und Crew  sicher und ohne Schäden in den Hafen zu bringen. Wir müssen nach Südost weichen und dabei auf den letzten 60 Seemeilen die Separated Traffic Zone überqueren oder übersetzt für Landlubbers: die Autobahn für die Grossschifffahrt. Diese ist eine imaginäre Zone durch welche die Frachter richtungs getrennt entlang der spanischen Küste geleitet werden.

Die Traffic Zone ist für uns kleine Schiffe eigentlich gesperrt, ausser man muss sie queren, um zur Küste zu gelangen, dann aber möglichst in einem 90 Grad Winkel, also auf dem kürzest und schnellst möglichen Weg. Haha, und nun stelle man sich Safari Njema auf dieser „Autobahn“ vor, zwischen den Wellenbergen stampfend und schnaubend hart am Wind bei 20 bis 35 Knoten Wind stark gerefft segelnd, zusätzlich gebremst von einem Gegenstrom von 1 Knoten … das macht dann noch 4 Knoten Geschwindigkeit bestenfalls oder rund 6 Stunden in dieser Traffic Zone.

Auf unserer AIS Liste zählen wir einmal 45 Tanker und Frachter um uns herum. Nur Wenigen davon stehen wir wirklich im Wege, doch trotzdem eine unangenehme Situation. Weder die Frachtschiffe, bedingt durch ihre immense Grösse, noch wir, bedingt durch unsere limitierte Geschwindigkeit und den aktuell harten Bedingungen, können auf kurze Distanz gut ausweichen. Also funken wir potentielle Kollisionspartner an und geben unser Position bekannt. Die Schiffe können uns zwischen den Wellen und in der Nacht auch auf Sichtweite kaum sehen, nehmen uns aber auf Radar wahr. Ausnahmslos alle dicken Pöte reagieren super freundlich, nehmen Rücksicht und ändern ihren Kurs, damit wir tapfer auf unserem Weg weiter Achtibahn fahren können. Der eine oder andere hat sich wohl gedacht, was diese crazy sailors bei diesem Wind in diese Richtung gerade hier zu suchen haben?

Und gerade in dieser Traffic Zone und mitten in der Nacht reissen die Schoten des Trinquette Segels! Nicht dass wir gerade geschlafen hätten, daran war in diesem Schüttelbecher, dem immensen Lärmpegel des schwerarbeitenden Bootes, dem Heulen des Windes und Rauschen des Wassers und dem regelmässig piependen Radar Alarm eh nicht zu denken. Nein, aber es bedeutet, dass Sven auf dem wild stampfenden Schiff aufs Vordeck muss, natürlich von mehreren Wellen eine Volldusche kriegt, die wild schlagenden Leinenenden kappen, die neuen Schoten anbändseln, einfädeln und zurück ins Cockpit führen muss. Während dessen hält Gerda das Schiff auf Kurs, versucht den schlimmeren Brechern auszuweichen, behält Sven im Auge und die Tanker auf Distanz. Und dann macht sich auch noch der Running Back Stag frei, schletzt wild wie eine Peitsche übers Cockpit und Heck und - fast – in den Windstrompropeller, bevor Gerda ihn bändigen und wieder zur Unterstützung der Mast Abspannung festzurren kann.  So, genug Räubergeschichten …

Alle Stunts gut gelaufen, die grossen Pöte verjagt und irgendwann kommt man immer an und endlich, im Lee der Küste gibt der Wind ab und wir laufen in den Ria (span. Fjord) von Camarina zum kleinen Fischerdorf Muxia ein.

Der Marinero freut sich mit uns über die vollendete Atlantiküberquerung, macht ein Foto von uns in der untergehenden Sonne und schenkt uns eine Flasche Spritzwein zum Feiern!


Horta verlassen wir bei Nebel

1 der 9 tollen Sonnenuntergänge
Vorspeise mit der letzten verbliebenen Tomate 
Sünnele wie beim Skifahren auf der Rest. Milez Terrasse
gut gesegelt, Käpt'n Sven